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Gschichtle aus dem Eichwald



4) Sankt - Martins- Ritt - 1961


Mich hatte es im Herbst 1961 schwer erwischt und ich lag mit einer Lungenentzündung im Bett.  Alle kümmerten sich rührend um mich. Vor allem saßen meine Mutter, meine Oma oder  meine  Cousinen   am Bett und versuchten mich aufzuheitern.
Meine größte Sorge war aber der bevorstehende St. Martinstag. An meinem Namenstag sollte ich nämlich die besondere Ehre haben, im Kindergarten den Sankt Martin zu spielen, den Umzug auf dem Pferd anzuführen. Darauf hatte ich mich schon monatelang gefreut.
Aber nun lag ich da und hatte nur wenig Hoffnung, dass es noch klappen konnte.
Alle Prozeduren  ließ ich nahezu klaglos über mich ergehen: Inhalieren, Einreiben, Medizinnehmen und vor allem das Anlegen von heißen Wick-Vaporup-Umschlägen ( von einem besonders gut gemeinten habe ich übrigens heute noch eine Brandnarbe – ehrlich !!!).
Einige Tage vor dem wichtigen Ereignis ging es dann auch langsam bergauf.  Aber ich war noch so richtig saft- und kraftlos. Nun begann das Aufbautraining, natürlich für Sankt Martin.
Kräftigende Fleischbrühe mit Klößchen stand täglich auf dem Ernährungsplan.
Unser Hausarzt war zwar nicht besonders begeistert von meinen Plänen, doch ein Tag vor meinem Namenstag willigte er ein: Ich durfte den Sankt Martin spielen. Von diesem Moment an ging es mir stündlich besser. Am  nächsten Tag wanderte ich dann praktisch direkt vom Bett, bzw. der warmen Stube zum Umzug. Unter meinem Martins-Kostüm war ich besonders warm eingepackt. Ich war glücklich. Etwas wackelig auf den Beinen meisterte ich auch den Umzug. Wackelig besonders auch deshalb, weil ich ja schließlich noch das Pferd tragen musste. Ja, so war das damals – St. Martin musste das Pferd tragen und nicht umgekehrt.  Mein stolzer Gaul war ein mit Stoff verkleidetes Holzgestell mit Tragriemen. Es hatte ein ganz schönes Gewicht, aber das war mir an diesem Tag egal. Details vom Ablauf des Umzuges weiß ich nicht mehr. Aber auf jeden Fall teilte ich meinen  Mantel mit einem Holzschwert und überreichte ein Stück dem frierenden Bettler.
Nach dem Martinsumzug bin ich  direkt wieder in mein Bett, so geschafft war ich vom Sankt - Martins- Ritt.


Der Bettler im Vordergrund: Reinhard Müll
Sonst erkenne ich noch auf dem Bild: von links - Rolf Kaiser, Klaus Beck, Jürgen Schenk, Dieter Braun, Bernd Seifried

Ich finde, man sieht es mir auf dem Bild schon an, dass ich nicht fit war.
 Weitere Bilder vom Martinsritt 1961



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