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Serie:
"Bühlertäler des Monats"
Oktober 2009



Wir stellen Mitbürgerinnen und Mitbürger vor:
"Schäfers Lina" - Lina Lohmüller
(3.10.09)
Vorgestellt von Elvi



Lina Lohmüller ist ein wahres Bühlertäler Original. Besser bekannt ist sie unter dem Namen „Schäfers Lina“. Nicht wenige sind im Glauben, dass sie tatsächlich so heißt, und es ihr richtiger Name sei. Doch der Name Schäfer ist jener ihres langjährigen Arbeitgebers Dr. Schäfer, der in Bühlertal eine Praxis hatte.


Laubenstraße 62


Aussicht von der Laubenstraße 62

Doch drehen wir die Zeit zurück ins Jahr 1925 in dem Lina Lohmüller als 3. Kind von insgesamt 5 Kindern der Familie Lohmüller geboren wurde. Ihre Wiege stand im Anwesen Laubenstraße 62 im Untertal. Linas Mutter Anna stammte aus dem Untertal und war eine geborene Rohrhirsch. Der Vater Wilhelm kam vom Obertäler Zinken Schafhof und betrieb anfangs eine Mühle im Gebäude der Geiserschmiede, dort wo sich heute das Heimatmuseum der Gemeinde befindet. Ein Bruder von Lina fiel im 2. Weltkrieg, ein anderer wurde im Krieg als vermisst gemeldet.  Die einzige Schwester verstarb in jungen Jahren an einer Krankheit. Von den Geschwistern überlebte nur der Bruder Heiner und Lina selbst.

Das Elternhaus wurde ungefähr 1903 erbaut, so erinnert sich Lina - und wurde aber mehrmals umgebaut, zuletzt vor 25 Jahren. Ihre Mutter Anna bekam das Haus damals von einer ledigen und kinderlosen Verwandten geschenkt und Lina wohnt  ihr ganzes Leben darin. Zusammen mit ihrem Bruder Heiner und dessen Familie hatte sie somit immer Familienanschluss. Nach dem Tode von Heiner vor 4 Jahren habe sich an der familiären Situation nichts geändert,  so erzählt uns Lina. Sie und die Schwägerin verstehen sich sehr gut, kochen zusammen und führen den Haushalt weiterhin gemeinsam und gestalten ihre Freizeit.

Sie verstehen sich gut - Lina und ihre Schwägerin

Mit im Haus lebt auch der Neffe Detlef.
Als sie klein war, so berichtet uns Lina Lohmüller weiter, seien die Zeiten schwer gewesen. Und so war eine kinderreiche Familie auch meist eine sehr arme Familie, da der Vater alleine das Geld für den Lebensunterhalt verdienen musste. In die Kinderschule ging Lina nie, es musste daheim im Haushalt schon mit angepackt werden. So erfahren wir auch von der sogenannten Kinderlandverschickung, die die Gemeinden organisiert haben.

1934 Lina (ganz rechts) beim Heidelbeersuchen - ihre Mutter trägt die Last auf dem Kopf
(zu diesem Bild gibt es einen Zeitungsbericht von Gerhard Fritz von 2003)


Lina als Kränzelkind in der Mitte


Hier ist das ganze Bild: es handelt sich um die Doppelhochzeit der Brüder Hörth vor dem Rebstock

In den Ferien wurde eine „Gastfamilie“ ausfindig gemacht, die gerne ein Kind bei sich aufnehmen wollte, um dieses in den Ferien zu versorgen. So kam es, dass man zu Fuß an den Bahnhof in Bühl laufen musste, versehen mit einen Kennkarte um den Hals, worauf die wichtigsten persönlichen Daten geschrieben standen. In einem Korb führte man lediglich ein paar Habseligkeiten mit sich. Die Reise ging  für Lina nach Oberrothweil an den Kaiserstuhl. Dort am Bahnhof angekommen, wollte ei Bauer die damals sehr schmächtige Lina schon auf seinen Karren laden. Zum Glück sah das die Gattin eines Arztes. Die Arztfrau wollte Lina auch gerne aufnehmen und so einigte sie sich mit dem Bauern und Lina wurde so für 4 Wochen in dem Arzthaushalt regelrecht verwöhnt. Es sei sehr schön gewesen bei den Leuten. Man badete und frisierte sie und kaufte neue Kleidchen und andere Sachen zum Anziehen.  Es gab gut und reichlich zu essen, so dass Lina  an Gewicht zunahm. Außer das Geschirr abtrocknen musste sie nichts groß arbeiten, so erzählt uns Lina.


Lina bei der "Kinderlandverschickung" 1936 im Harz


Blick ins Untertal in den 30ern - aufgenommen von Lina


Blick zum Engelsberg und Sägewerk Kern - aufgenommen von Lina

In einem anderen Jahr wurde sie dann noch einmal verschickt, diesmal in den Harz nach Halberstadt. Die dortige Gastfamilie, eine Witwe mit 3 Buben, hätte eben auch gerne ein Mädchen gehabt. So kam Lina für 4 Wochen zu dieser Familie. Es hat immer Spaß gemacht so zu vereisen, denn ihre Eltern hätten nie das Geld gehabt, ein Kind in die Ferien zu schicken. Und bei den Gastfamilien lernte man auch eine Menge anderer Kinder kennen und konnte neue Kontakte knüpfen.
Lina besuchte die Volksschule im Untertal, die Schulzeit betrug 8 Jahre und im letzten Jahr hatte man parallel Koch- und Strickschule, um etwas fürs spätere Leben als Hausfrau zu lernen. Wer jedoch nach der Schulzeit keine Lehrstelle hatte - die wenigsten hatten das - der musste in einem Rüstungsbetrieb arbeiten.

In der Schule im Untertal - Lina in der 2. Reihe in der Mitte

1939 zeichnete sich bereits der nächste Weltkrieg ab und so begann Lina Lohmüller in der Bühler Spankorbfabrik Friedrich Kern, (heutiges Kauflandgelände) Tarnmatten aus Holz, Schnur und Spänen herzustellen. Diese waren aber noch nicht in der Tarnfarbe Olivgrün, das wurde in einem anderen Betrieb eingefärbt.
Danach musste sie zum Haushaltspflichtjahr zu einer Familie nach Müllenbach. Dort bei Familie Hönig sollte sie bei der Versorgung der drei Kinder mithelfen. Nach diesem Haushaltspflichtjahr war inzwischen  der 2. Weltkrieg ausgebrochen und Lina wurde  1942 als Marineflagghelferin nach Wilhelmshafen eingezogen. Am Bahnhof in Bühl sei sie mit dem Zug in eine ungewisse Zukunft abgefahren.


In Wilhelmshafen
Zuerst habe man in Baracken gewohnt und sei einigen Eignungstests unterzogen worden. Den Test im Fernschreiben bestand sie allerdings nicht, da einige Finger immer wieder von den Tasten abgerutscht seien. Weitere Tests ergaben, dass sie über ein sehr feines Gehör verfügte und so wurde sie „zum Horchen“ verpflichtet. Man setzte sogenannte Horchkappen auf und hörte, mit einem großen Horchrohr verbunden, wenn sich feindlich Flugzeuge näherten.

Vor den Horchrohren


Lina als Marineflagghelferin mit Freundin


Vor den Horchrohren - Lina links hinten

In Wilhelmshafen sei es landschaftlich sehr schön gewesen und sie habe auch zum ersten Mal das Meer gesehen. Jedoch der ständige kräftige Wind sei sehr gewöhnungsbedürftig gewesen, erzählt Lina. Sie lernte auch viele andere junge Frauen aus ganz Deutschland kennen, mit denen sie nach einer gewissen Zeit  aus dem gleichen Schicksal heraus eine Freundschaft verband. Zwei Jahre habe sie diese Arbeit als Marineflagghelferin verrichten müssen.  Nach der Kapitulation waren  zuerst einmal auf den umliegenden Bauernhöfen in Ostfriesland Kühe melken, Erntehilfe und Feldarbeit angesagt. Dafür habe man Essen und eine Schlafstatt bekommen.
Im Jahre 1945 kehrte Lina dann wieder  heim nach Bühlertal in die nun französisch besetzte Heimat. Sie musste sich beim Requisitionsamt melden und bekam eine Stelle beim französischen Polizeikommandanten in der Hauptstraße zugeteilt.
Dort musste sie den Haushalt führen. Lina hatte sich  bald gut eingearbeitet. Als der Colonel mit seiner Familie nach einigen Jahren nach Madagaskar versetzt werden sollte, wollte man Lina dorthin auf die Insel mitnehmen. Dies scheiterte aber daran, dass Linas Mutter nicht für eine Auswanderung zu begeistern war, denn Lina und der Bruder Heiner waren die noch einzig verbliebenen Kinder nach dem Krieg. Lina berichtet uns, wäre sie erst einmal weg gewesen, hätte es wohl so schnell kein Zurück mehr gegeben und das ahnte die Mutter auch.

Lina als Serviermädel
Und so nahm Linas Leben den weiteren Verlauf in Bühlertal, denn der Mutter war inzwischen zu Ohren gekommen, dass der neu niedergelassene Arzt Dr. Schäfer in Bühlertal eine Haushaltshilfe suchte. Dr. Schäfer stammte aus Göppingen und seine Frau, die auch Ärztin war, stammte aus Baden-Baden und war die Schwester der  Seniorchefin der Bäckerei Zimmermann.
Lina, damals 23 Jahre alt, stellte sich bei Dr. Schäfer vor und wurde dann im Februar 1949 eingestellt. Die Wohnung der Schäfers war zuerst ins Welle Schreiners in der Hauptstraße, und die Praxis befand sich etwas weiter hoch die Straße im Hause Pachel. Schäfers hatten 2  Mädchen zu dieser Zeit, bevor sich die Familie um einen Jungen vergrößerte. Lina gehörte also praktisch zur Familie, es wurde kein Unterschied zu den eigenen Kindern gemacht. Lina aß mit am Tisch, kochte, führte den Haushalt, hielt die Wäsche in Ordnung und versorgte den Sohn der Schäfers, der wie ein eigenes Kind für sie war. Als im Bürogebäude der Sägemühle Kern ( heute Haus des Gastes)  die Praxis von Zahnarzt Dr. Julius Kraus frei wurde, (dieser hatte einige Häuser weiter oben in der Hauptstraße selbst gebaut), zogen die Schäfers ins Bürogebäude ein und hatten somit Wohnung und Praxis unter einem Dach. Lina packte auch hier kräftig mit an und ihr anfänglicher Lohn betrug 60 DM. Sie arbeitete 7 Tage die Woche von morgens bis abends bei Dr. Schäfer und war nie krank. Heute kann man sich so etwas gar nicht mehr vorstellen, meint Lina.

1966 erwarb Dr. Schäfer ein Grundstück von Bruno Ganter in der Katzenbachstraße und baute dort ein Wohnhaus mit Praxis. Wieder zog Lina mit um an die neue Arbeitsstätte und lief von nun an noch ein Stück weiter, denn sie hatte nie den Führerschein gemacht und somit auch kein Fahrzeug. Also jeden Tag von der Laubenstraße hoch ins Obertal zum Doktor und abends wieder zurück. 1983  im September verstarb dann die Frau von Dr. Schäfer und die Praxis wurde erst einmal geschlossen, da auch der  Dr. Schäfer inzwischen gesundheitlich angeschlagen war. Doch ein Nachfolger war  bereits in Sicht, der junge Dr. Zittel sollte Ende 1983 die Praxis von Dr. Schäfer übernehmen und wieder eröffnen.

Lina beim Fest des Musikvereins mit Maler Stolz und Monika Fritz


Lina als Harlekin bei der Fastnacht 1965


Lina in Aktion beim Damenfußballspiel 1966 auf dem Mittelberg

Lina Lohmüller versorgte nun den Doktor Schäfer weiterhin bis zu seinem Tod im Jahre 1996. Lina war somit bei der Familie Schäfer ununterbrochen von 1949 bis 1996  mehr als 47 Jahre lang. Nun versteht auch jeder, warum sie "Schäfers Lina" genannt wurde. Nach so vielen Jahren war sie einfach ein Teil dieser Arztfamilie geworden. Mittlerweile war sie selber 71 Jahre alt und jeden Tag lief sie die Strecke hin und zurück von ihrem Haus im Untertal  bis zu Dr. Schäfer. Bei Wind und Wetter war sie unterwegs und man konnte sie oft sehen, wenn man mit dem Auto ins Bühlertal fuhr. Ein kurzes Gespräch mit Leuten auf dem Weg, immer fit und immer ein Lachen und Winken, wenn sie jemanden kannte auf der Straße, so kennt man Lina.
Doch wer nun denkt, Lina wäre nach dem Tod von Dr. Schäfer mit nunmehr 71 Jahren in den Ruhestand gegangen, der irrt sich gewaltig. Lina Lohmüller putzte auch die Praxis, früher schon bei Schäfers und nun auch bei Dr. Zittel, dem Nachfolger. Das ging nahtlos weiter, täglich 2 Stunden. Im Jahre 1989 zog die Praxis dann wieder in ein anderes Domizil. Dr. Zittel erwarb in einem neu erbauten Haus in der Hauptstraße (ehemaliges Gasthaus Linde) eine eigene Praxis und Lina reinigte von nun an dort die erweiterten Praxisräume. Von 1989  bis im Jahre 2006, also weitere 17 Jahre nach dem Tod von Dr. Schäfer, stand Lina als Reinigungskraft in den Diensten von Dr. Zittel. Dieser Dienst  endete sozusagen eher unfreiwillig, denn Linas Arbeit wurde durch einen Leistenbruch ein Ende gesetzt. So beschloss sie mit 81 Jahren, mit der Arbeit in der Praxis aufzuhören und endgültig ganz in den Ruhestand zu gehen. Zum ersten Mal war sie nun im Leben krank, und das mit 81 Jahren.

Da kann man wirklich stolz drauf sein, auf ein so langes und gesundes (Arbeits-) Leben zurückblicken zu können. Sehr, sehr  wenigen Menschen ist das beschieden. Einmal im Leben, so erinnert sich Lina Lohmüller dann doch noch, habe sie 3 Mark Krankengeld bekommen, vom französischen Colonel, ein ausgekugelter Arm habe sie beim Arbeiten gehindert.
Also seit 3 Jahren ist Lina nun zu Hause und wir fragen natürlich voller Neugier, wie sie den Tag so verbringt, so ganz ohne eine Praxis und ohne putzen.  Sie nennt: Kuchen backen, kochen, mit der Schwägerin zusammen spazieren gehen……… früher habe sich auch gerne gestickt und Handarbeiten gefertigt.
Vor einigen Jahren fuhr Lina Lohmüller auch gerne mit dem Reisebus in Urlaub zu Zielen in der Schweiz, Österreich, und Deutschland.
Also immer in Bewegung muss sie sein, es muss immer etwas gehen, sie braucht Leute um sich, zum Reden und einfach zum gesellig sein. Die Arbeit habe sie immer fit und geistig rege gehalten und sie sei immer ein Familienmensch gewesen, der Bruder Heiner hat 3 Kinder mit Familien, und auch bei Schäfers sei sie immer in eine gute Familie eingebunden gewesen, habe also eine eigene Familie nicht vermisst.
Nun fragen wir aber  doch, warum Lina nie geheiratet hat und ob wir darüber auch schreiben dürfen. Also, das war so: einmal habe sie einen Freund gehabt und jener stammte aus Nürnberg und war evangelisch. Als seine Mutter hörte, dass er ein katholisches Mädel kennen gelernt habe, war sie nicht sehr begeistert. Auf der Seite ihrer Familie traten weniger die religiösen Gründe in den Vordergrund, sondern eher schon die praktischen. Linas Vater hatte wohl einige Zwetschgenbäume und der junge Mann aus Nürnberg sollte einmal die Leiter hoch am Zwetschgenbaum. Damit hatte dieser jedoch einige Probleme und es haute nicht hin mit der Zwetschgenernte. Da verkündete der Vater kurzerhand: „Einer wo der Quwetschebaum nit nuff kon, bruchsch nim heim ins Hus bringe!“ ( einer wo den Zwetschgenbaum nicht hoch steigen kann, braucht  nicht mehr  ins Haus zu kommen) Ja, das wars dann mit der Liebschaft.

Lohmüllertreffen 2009 in Bühl

Lina Lohmüller ist auch mit dem Bühler Fotografen Lohmüller verwandt, der ein Fotostudio betrieb. Auch sie habe in jüngeren Jahren gerne fotografiert, aber leider gibt es die meisten Bilder nicht mehr, da sie aus Platzgründen einmal viele entsorgt hat. Wenn sie damals gewusst hätte, bedauert sie ihre Entscheidung, dass es den Eichwälder und seine Homepage gibt und wir diese Fotos gerne ins Archiv genommen hätten, so wären sie alle erhalten geblieben. Ja schade, meint sie nachdenklich, aber daran ist nun nichts mehr zu ändern.
Am Tag des Interviews ist Lina Lohmüller wie wir sie einfach kennen, quirlig, lebendig, fit und geistig rege, fröhlich, jung geblieben, ein interessanter Zeitzeuge, herzlich und einfach voller Leben!!!
Wir wünschen Lina Lohmüller (Schäfers Lina) weiterhin gute Gesundheit und noch viele Jahre voller Lebensfreude.

Vielen Dank  an Lina und Elvi !



Monat 2-09 (Gaby Frey)
Monat 3-09 (Fritz Kögel)
Monat 4-09 (Berthold Fritz)
Monat 5-09 (Rowald Lamprecht)
Monat 6-09 (Siegmund Rieger)
Monat 7-09 (Marianne Degler)
Monat 8-09 (Rolf Fritz)
Monat 9-09 (Stefan Kumm)
Monat 10-09 ("Schäfers Lina" - Lina Lohmüller)
Monat 11-09 (Fahrlehrer Rolf Schulz)
Monat 12 - 09 (Franz Müll)
Monat 2 - 10 (Günter Seebacher)
Monat 3- 10 (Kurt Bauer)
Monat 4 - 10 (Bernhard Hönig)
Monat 5 - 10 (Klaus Hundsdörfer)
Monat 8-10 (Engelbert Seeger)
Monat 11-10 (Norbert Meier)

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